Malolaktische Gärung

Alle Rot­weine machen, nach­dem die alko­ho­li­sche Gärung been­det ist, eine zweite Gärung durch. Sie heißt Milch­säu­re­gä­rung oder ein­fach „Malo“. Malo kommt vom latei­ni­schen Wort malum: der Apfel. Im Wein befin­det sich näm­lich eine Säure, die so herb schmeckt wie ein unrei­fer Apfel. Um sie geht es bei der malolak­ti­schen Gärung.
Rot­weine aus allen gemä­ßig­ten Anbau­ge­bie­ten haben einen mehr oder min­der gro­ßen Über­schuss an Apfel­säure. Selbst bei war­men Tem­pe­ra­tu­ren und spä­ter Lese wird sie nicht voll­stän­dig abge­baut. Die roh, bis­wei­len adstrin­gie­rend schme­ckende Apfel­säure ist auch im ver­go­re­nen Wein noch anzu­tref­fen – in küh­len Jah­ren in beson­ders hohem Maße. Diese Apfel­säure wird irgend­wann von den Milch­säu­re­bak­te­rien ange­grif­fen. Sie spal­ten die Apfel­säu­re­mo­le­küle und wan­deln sie in die mil­dere Milch­säure um. Der Säu­re­ge­halt im Wein sinkt dadurch, der Wein schmeckt wei­cher und voller.
Natürlicher Vorgang
Die malolak­ti­sche Gärung wird also nicht durch Hefen, son­dern durch Bak­te­rien in Gang gesetzt. Sie ist ein natür­li­cher Vor­gang. Oft wird er auch als bio­lo­gi­scher Säu­re­ab­bau bezeich­net. Er fin­det in vie­len Anbau­ge­bie­ten spon­tan im Früh­ling statt. Die ein­zige kel­ler­tech­ni­sche Maß­nahme, die dazu nötig ist: Die Fens­ter öffnen, so daß die Früh­lings­wärme in den Kel­ler strömt. Wenn die Tem­pe­ra­tu­ren stei­gen und der Kel­ler sich erwärmt, wird der durch­ge­go­rene Wein wie­der aktiv. Er beginnt fein zu pri­ckeln, spä­ter zu blub­bern – siche­res Anzei­chen dafür, daß etwas in ihm vor­geht. Was genau mit ihm pas­siert, dar­über herrschte lange Zeit Unklar­heit. Erst vor dem Zwei­ten Welt­krieg wurde die genaue che­mi­sche Reak­tion am Insti­tut Œnolo­gi­que der Uni­ver­si­tät Bor­deaux erforscht. Man fand unter dem Mikro­skop Bak­te­rien, die sich auch in einem sau­ren Milieu ver­meh­ren und kei­nen Zucker brauchen.
Erst nach der Malo stabil
Genau betrach­tet, sind es drei Milch­säu­re­bak­te­rien: Pedio­coc­cus, Leu­co­no­s­toc und Lac­to­ba­cil­lus. Man fin­det sie bereits im Wein­berg unter die Hefen gemischt, aber auch im Kel­ler und in den Gär­fäs­sern (ein lee­res Fass ent­hält rund fünf Liter Flüs­sig­keit mit Hefen und Bak­te­rien ver­mischt, die im Holz gespei­chert sind). Aller­dings sind sie träge. Sie wer­den über­haupt erst bei Tem­pe­ra­tu­ren ab 20° C aktiv – also nor­ma­ler­weise erst, wenn es warm wird. Beson­ders Pedio­coc­cus und Leu­co­no­s­toc grei­fen aus­schließ­lich die Apfel­säure an, las­sen aber das Gly­ce­rin und die Wein­säure unbe­rührt. Da der Wein nicht sta­bil ist, bevor die malolak­ti­sche Gärung abge­schlos­sen ist, wird in moder­nen Wein­gü­tern der Kel­ler nach der alko­ho­li­schen Gärung beheizt, um die Malo zu sti­mu­lie­ren. Sie dau­ert etwa zwei oder drei Wochen. Danach ent­hält der Wein keine Apfel­säure mehr.
Mit Bakterien “geimpft”
In vie­len Anbau­ge­bie­ten der Neuen Welt, vor allem in Kali­for­nien, Süd­afrika, Aus­tra­lien fin­den sich oft­mals nicht genü­gend, manch- mal auch gar keine Bak­te­rien in den Kel­lern. Um die malolak­ti­sche Gärung durch­füh­ren zu kön­nen, muss der Wein mit aus­ge­such­ten, kul­ti­vier­ten Milch­säu­re­bak­te­rien „geimpft“ wer­den. Auch in eini­gen euro­päi­schen Regio­nen wird gele­gent­lich so ver­fah­ren. Wich­tig ist allein, dass der Wein ohne Apfel­säure auf die Fla­sche kommt. Ansons­ten besteht die Gefahr, dass er auf der Fla­sche nach­gärt. Typi­sches Indiz: Der Kor­ken hebt sich unter dem Druck des ent­wei­chen­den Kohlendioxids.
Malo bei Weißweinen
Auch Weiß­weine ent­hal­ten Apfel­säure – sol­che aus küh­len Anbau­ge­bie­ten mehr, aus war­men Anbau­ge­bie­ten sehr wenig. Doch die meis­ten Weiß­wein­win­zer leh­nen eine malolak­ti­sche Gärung ab. Sie sind über jedes Gramm Säure froh, das ihr Wein auf­weist. Säure macht Weiß­weine leben­dig, erfri­schend, fein. Vor allem für junge Weiß­weine ist Säure unver­zicht­bar. Neben der fruch­ti­gen Wein­säure, die den größ­ten Anteil aus­macht, sind ein paar Gramm Apfel­säure durch­aus tole­ra­bel. Selbst beim Elsäs­ser und beim deut­schen und öster­rei­chi­schen Ries­ling, die trotz spä­ter Reife hohe Säu­re­werte auf­wei­sen, wird prak­tisch nie der bio­lo­gi­sche Säu­re­ab­bau durch­ge­führt. Bei ande­ren Weiß­wei­nen ist er dafür die Regel. Ursprüng­lich waren es weiße Bur­gun­der­weine aus Chardonnay-Trauben und die wei­ßen Bordeaux-Weine aus Sémil­lon und Sau­vi­gnon, die vor­an­gin­gen. Heute sind es nahezu alle im klei­nen Holz­fass ver­go­re­nen Chardonnay-Weine, unab­hän­gig davon, ob sie aus Ita­lien, Aus­tra­lien, Kali­for­nien oder Chile kom­men. Manch­mal wird nur die Hälfte des Weins der malolak­ti­schen Gärung unter­zo­gen, die andere nicht, damit die Säure nicht zu tief sinkt.
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