Neue Ausbauformen

Die Glo­ba­li­sie­rung des Wein­mark­tes schreitet voran. Um Kos­ten zu spa­ren, wer­den Abläufe im Kel­ler ver­ein­facht und die Zei­ten für die Rei­fung des Weins radi­kal ver­kürzt. Man­che der neuen önolo­gi­schen Kellertechniken sind mit tra­di­tio­nel­len Vor­stel­lun­gen der Wein­er­zeu­gung nicht mehr vereinbar.
Die wach­sende Kon­kur­renz der Wein­an­bie­ter auf dem Welt­markt hat zu einem schar­fen Wett­be­werb geführt. Die über­see­ischen Weinbau­län­der drän­gen mit neuen Wein­sti­len auf den euro­päi­schen Markt. Die euro­päi­schen Wein­bau­län­der, ihrer­seits von Überproduktion bedroht, weh­ren sich mit neuen Weinqua­li­tä­ten. Das Ziel aller ist es, Wein möglichst preis­güns­tig anzu­bie­ten, um Marktanteile zu gewin­nen. Lei­der bleibt die Qua­li­tät dabei allzu oft auf der Stre­cke. Doch häu­fi­ger wird der Qua­li­täts­be­griff ein­fach umde­fi­niert, um ihn in Ein­klang mit den neuen Notwendig­kei­ten zu brin­gen. Diese beste­hen vor allem darin, Abläufe im Kel­ler zu vereinfachen, um Kos­ten zu spa­ren. Ande­rer­seits wird ver­sucht, gezielte Ein­griffe in den Wein und in die Wein­er­zeu­gung vor­zu­neh­men, um die erwünsch­ten Qua­li­tä­ten zu bekom­men, auch wenn die Rebe sie nicht liefert.
Ausbau im Eichenholzfass
BarriqueHoch­wer­tige Rot­weine wer­den tra­di­tio­nell in klei­nen, neuen Eichen­holz­fäs­sern aus­ge­baut. Der Vor­teil die­ser Fäs­ser, auch Bar­ri­ques genannt, besteht darin, dass die wein­ei­ge­nen Gerb­stoffe mit dem Tan­nin des Hol­zes rea­gie­ren, diese „wei­cher“ und den Wein lang­le­bi­ger machen und die Farbe sta­bi­li­sie­ren. Der Nach­teil: Die Weine neh­men das leicht süße, an Vanille, gerös­tete Kaf­fee­boh­nen oder Zedern­holz erin­nernde Aroma des Tannins an. Beson­ders in den ers­ten Jah­ren kann der Holz­ge­schmack den Wein stark prä­gen. Viele Ver­brau­cher aus der jun­gen Gene­ra­tion emp­fin­den den Holz­ton frei­lich gar nicht als Nach­teil. Im Gegen­teil: Sie möch­ten ihn nicht mehr mis­sen. Er ist für sie zum Erken­nungs­merk­mal eines qua­li­ta­tiv wert­vol­len Weins gewor­den. Immer mehr Erzeu­ger haben des­halb ver­sucht, ihren Rot­wein im klei­nen Eichen­holz­fass rei­fen zu las­sen. Gute Rot­weine mögen davon pro­fi­tiert haben. Andere sind durch den Barrique-Ausbau aller­dings dena­tu­riert worden.
Künstlicher Holzgeschmack durch Chips
Eichenholz-ChipsDie Wein­in­dus­trie, die sich den Geschmacks­vor­lie­ben der Ver­brau­cher ver­pflich­tet fühlt, möchte Weine nach deren Wün­schen lie­fern. Bar­ri­ques sind jedoch teuer, und der Aus­bau in ihnen dau­ert zwi­schen acht und 18 Mona­ten. Vor allem braucht man große kli­ma­ti­sierte Kel­ler, um die Bar­ri­ques lagern zu kön­nen – unren­ta­bel für ein­fa­che Rot­weine, die preis­wert ange­bo­ten wer­den sol­len. So sind fin­dige Önolo­gen schon früh auf die Idee gekom­men, bil­lige Eichen­holz­schnit­zel, soge­nannte Chips, die in Netz­beu­tel abge­packt sind, in den Stahl­tank zu hän­gen, in dem der Wein ver­gärt bzw. aus­ge­baut wird. Auf diese Weise neh­men Weine das Aroma des Eichen­hol­zes an, auch wenn sie des­sen Tan­nin gar nicht brau­chen, weil sie nicht auf Lang­le­big­keit ange­legt sind. Ent­schei­dend ist allein das Kos­ten­ar­gu­ment: Wäh­rend der Aus­bau im Bar­ri­que einen Wein um min­des­tens zwei Euro ver­teu­ert, kos­tet der Aus­bau mit Chips nur wenige Cent pro Fla­sche. Geschmack­lich sind die Weine, solange sie jung sind, nicht von­ein­an­der zu unterscheiden.
Die stave-Technologie
stave-TechnologieNoch preis­wer­ter ist eine andere Form der künst­li­chen Aro­ma­ti­sie­rung: die stave-Technologie. Dabei wer­den dünne Eichen­holz­bret­ter in ein metal­le­nes Gestell mon­tiert, das im Stahl­tank pla­ziert wird. Wäh­rend die Mai­sche gärt, wer­den die Bret­ter stän­dig von Flüs­sig­keit umspült. Dabei ist die Holzober­flä­che, mit der der Wein Kon­takt hat, wesent­lich grö­ßer als bei den Chips. Ent­spre­chend kräf­ti­ger ist das Eichen­hol­za­roma, das er annimmt. Die Hand­ha­bung der sta­ves ist ein­fach, und die Kos­ten für die Eichen­holz­bret­ter sind nied­rig. Sie wer­den – wie die Chips – aus Abfall­holz her­ge­stellt, das beim Fass­bau anfällt. Geschmack­lich ist das Eichen­hol­za­roma der stave- und der Chip-Weine iden­tisch mit dem der Barrique-Weine, und auch wis­sen­schaft­lich lässt sich nicht nach­wei­sen, ob ein Wein im klei­nen Eichen­holz­faß oder im gro­ßen Stahl­tank mit Eichenholz-Chips aus­ge­baut wurde. In den über­see­ischen Län­dern ist des­halb die Ver­wen­dung von alter­na­ti­vem Eichen­holz erlaubt. Die euro­päi­schen Wein­kon­troll­be­hör­den ver­bie­ten dage­gen die Ver­wen­dung von pie­ces of oak, wie der Fach­aus­druck lau­tet. Chips und sta­ves, so deren Argu­men­ta­tion, dien­ten nicht dem Aus­bau, son­dern allein zum Aro­ma­ti­sie­ren des Weins. Sie gehör­ten folg­lich nicht zu den tra­di­tio­nel­len Kel­ler­tech­ni­ken und müss­ten ver­bo­ten blei­ben. Da bis heute – und ver­mut­lich auch in Zukunft – nicht nach­weis­bar ist, ob ein Wein im Holz­fass gereift oder künst­lich aro­ma­ti­siert wurde, wird das Ver­bot auf Dauer nicht halt­bar sein – auch um Wett­be­werbs­nach­teile für euro­päi­sche Wein­er­zeu­ger zu ver­mei­den. Und schließ­lich hat der Aus­bau in Bar­ri­ques – ob gewollt oder unge­wollt – eben­falls eine Aro­ma­ti­sie­rung des Weins zur Folge.
Die Mikrooxygenase
Die Kos­ten­vor­teile der Aro­ma­ti­sie­rung des Weins durch alter­na­ti­ves Eichen­holz beste­hen auch in der Ver­kür­zung der „Rei­fe­zeit“. Statt ein Jahr und mehr im Fass zu ver­brin­gen, wie beim Barrique-Ausbau üblich, haben die stave- und Chip-Weine bereits nach acht Wochen den erwünsch­ten Eichen­holz­ge­schmack ange­nom­men. Aller­dings ist der Wein zu die­sem Zeit­punkt noch nicht gereift. Um auch die Rei­fung zu beschleu­ni­gen, wird gern das in Bor­deaux ent­wi­ckelte Ver­fah­ren der Mikro­oxy­ge­nase ange­wen­det. Dabei wer­den dem frisch ver­go­re­nen Wein gezielt win­zige Men­gen von Sau­er­stoff zuge­führt (rund zehn Mil­li­li­ter pro Liter und Tag). Die­ser Sau­er­stof­f­e­in­trag bewirkt einer­seits, dass unan­ge­nehme Gär­gase und Fehl­töne aus dem Wein ent­fernt wer­den. Ander­seits poly­me­ri­sie­ren die har­ten Tan­nine und Gerb­stoffe – wer­den also wei­cher und bin­den den Holz­ge­schmack ein. Mit ande­ren Wor­ten: Die Rei­fe­vor­gänge, denen der Wein tra­di­tio­nel­ler­weise im atmen­den Fass aus­ge­setzt ist, kann er mit Hilfe der Mikro­oxy­ge­nase im Zeit­raf­fer im Stahl­tank durch­ma­chen. So ist er in weni­gen Mona­ten füll­fer­tig. Die Mikro­oxy­ge­nase ist unter Win­zern umstrit­ten. Für ein­fa­che Weine mag sie kos­ten­spa­rend sein, zur Rei­fung hoch­wer­ti­ger Weine ist sie untauglich.
Künstliche Konzentration
Die moderne Önolo­gie ver­sucht nicht beim Aus­bau des Weins, son­dern auch bei der Vini­fi­ka­tion Ein­fluß auf Art und Cha­rak­ter des Weins zu neh­men. So wird durch tech­ni­sche Maß­nah­men ver­sucht, kon­zen­trier­tere Weine zu bekom­men, ins­be­son­dere Rot­weine. Die älteste Form der Kon­zen­tra­tion ist der Most­ab­zug (oder die Sai­gnée). Dabei wird der Mai­sche ein Teil der Flüs­sig­keit ent­zo­gen, so dass im ver­blei­ben­den Teil die Kon­zen­tra­tion der Farbe und des Tannins zunimmt. Heik­ler ist die Vaku­um­ver­damp­fung. Dabei wird der Umstand aus­ge­nutzt, daß Was­ser schon ab 10 bis 25 °C ver­dampft, wenn es sich in einer Unter­druck­kam­mer befin­det. Der Was­ser­dampf wird auf­ge­fan­gen, kon­den­siert und in einen Was­ser­tank abge­lei­tet. Der ver­blei­bende Most ist kon­zen­triert. Da der Vaku­um­ver­damp­fer dem Most keine wein­frem­den Stoffe hin­zu­fügt, son­dern ihm nur Was­ser ent­zieht, bleibt das Natur­pro­dukt Wein erhal­ten. Diese Art der Kon­zen­tra­tion kann bei Weiß- und Rot­wei­nen ange­wen­det wer­den. Auch bei der Umkehr-Osmose wird dem Wein Was­ser ent­zo­gen, nur nach einem ande­ren tech­ni­schen Ver­fah­ren. Sie ist aller­dings – ebenso wie die Vaku­um­ver­damp­fung – auf­wen­dig und teuer. Und Sinn macht die künst­li­che Kon­zen­tra­tion sowieso nur, wenn der Most hoch­wer­tig ist. Andern­falls wür­den die nega­ti­ven Eigen­schaf­ten (z.B. man­gelnde Reife) nur verstärkt.
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