Die Güte großer Rotweine hängt von der Qualität seiner Tannine ab. Sie sind die Seele des Weins, wie der verstorbene Baron Philippe de Rothschild es einmal formulierte. Wie man es anstellt, nur die besten Tannine in den Wein zu bekommen, darüber zerbrechen sich Önologen den Kopf. |
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Tannine finden sich in drei verschiedenen Bestandteilen der Rotweinmaische: in den Schalen, in den wenigen Stielfragmenten, die beim Entrappen und Mahlen nicht entfernt wurden, sowie in den Traubenkernen. Das weichste, am wenigsten verholzte Zellgewebe weisen die Schalen auf. Die in ihnen enthaltenen Tannine sind besonders fein, zumal wenn die Trauben sehr reif waren. Das Tannin aus den grünen Stielteilen ist stumpfer, das aus den verholzten Kernen am härtesten. Das Stieltannin wird des- halb von den Kellermeistern meistens verschmäht, das Tannin der Kerne ist immer unerwünscht. Sie konzentrieren sich auf die Extraktion des edlen Schalentannins. Es macht zwischen 20 und 30 Prozent des ins- gesamt vorhandenen Tannins aus. |
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Umwälzen der Maische |
Das Tannin aus den Schalen lässt sich verhältnismäßig leicht lösen. Schon geringe Mengen Alkohol reichen aus, damit die Extraktion beginnt. Allerdings müssen die Schalen viel Kontakt mit der Flüssigkeit haben. Das Umwälzen der Maische – in Frankreich remontage, in Italien rimontaggio, in der englischsprachigen Welt pumping over genannt – ist deshalb eine der wichtigsten Operationen während der Maischegärung. Vor allem in den ersten Tagen der Gärung muss die Maische mehrmals am Tag gewendet werden. In dieser Phase gehen sowohl die Farbstoffe als auch die Tannine aus den Schalen in den Wein über. Später reicht ein einmaliges Umpumpen pro Tag aus. Wenn die Schalen ausgelaugt sind, darf der Wein nicht mehr umgewälzt werden. Es würde zu viel Tannin aus Stielresten und Kernen in den Wein gelangen, was unerwünscht ist. In jedem Fall bedarf es langer Erfahrung und großen Fingerspitzengefühls, um die Extraktion zu steuern. In kleinen Jahren, in denen die Schalen wenig phenolische Substanzen enthalten, wird die Maische weniger oft übergepumpt, in guten Jahren öfter. Die Häufigkeit des Umwälzens variiert auch von Rebsorte zu Rebsorte. Farbintensive Sorten wie Syrah und Cabernet Sauvignon müssen öfter bewegt werden als etwa eine relativ farbschwache Vernatsch-Maische aus Südtirol. |
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Kurze, aber intensive Maischegärung |
Die Dauer der Maischegärung hat nur indirekt Einfluss auf den Tanningehalt. Wichtiger ist die Gärtemperatur. Viele moderne Önologen plädieren bei tanninhaltigen Maischen für eine kurze Fermentationsdauer (nur wenige Tage, im Extremfall gar nur 36 Stunden). Die Fermentation muss dann aber bei hohen Temperaturen stattfinden: über 30° C, manch- mal sogar bis 35° C. In dieser kurzen Zeit werden nur die leicht löslichen, weichsten Tannine extrahiert. Danach wird der angegorene Wein von den Schalen gezogen und kann in einem anderen Fass ohne Schalen langsam zu Ende fermentieren. Viele Burgunder Rotweine werden so vinifiziert, die neue Generation der italienischen Barolo ebenfalls. Ihre Tannine sind weich und süß, und sie sind oft auch in größerer Menge vorhanden als bei einer gewöhnlichen Niedertemperatur-Gärung. Die Länge der Maischegärung besagt also nichts über die Tanninstärke eines Weins. |
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Rotationstanks |
Um die Extraktion zu optimieren, tüfteln Ingenieure und Önologen an immer neuen Tankkonstruktionen. In Australien werden zur Vergärung der Rotweinmaische häufig horizontale Rototanks verwendet, die sich in bestimmten Zeitabständen drehen und so die Maische neu aufwirbeln. Allerdings dient der Rototank vor allem dazu, Arbeit zu sparen: Ein Umwälzen der Maische von Hand ist nicht mehr nötig. Aus Deutschland kommen Rototanks, in deren Innerem sich Paddel drehen und die Maische aufrühren. Die Kerne fallen in eine Rinne am Boden des Fasses und werden nicht mitbewegt. Entwickelt wurde diese Technik, um den tanninarmen, farbschwachen deutschen Rotweinen mehr „Struktur“ zu geben. In Italien wurden Tanks erfunden, bei denen zwei Kolben abwechselnd die auftreibenden Trester unter die Flüssigkeit drücken. All diese Konstruktionen sind freilich nur technische Varianten des traditionellen Herunterdrückens des Tresterhuts mit Stangen und Stampfern. |
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Vergärung mit Stielen |
Da es früher keine Abbeermaschinen gab, wurde der größte Teil der Rotweine mit Stielen vergoren. Nur wenige Châteaux, die hohe Preise für ihre Weine er- zielten, konnten es sich leisten, die Trauben von Hand entrappen zu lassen. Bis heute haben einige Weingüter den alten Brauch, die Trauben unentrappt zu vergären, beibehalten – allerdings nicht aus Bequemlichkeit. Für sie ist das Stieltannin erwünscht. Das gilt vor allem für Pinot-Noir-Weine, die von Natur aus tanninarm sind. Im Burgund wird fast regelmäßig ein Teil der Trauben mit den grünen Stielen vergoren. Dort ist man der Überzeugung, dass, wenn die Trauben reif sind, auch das Tannin in den Stielen reif sein muss. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Stiele in dem Tresterkuchen, der sich im Gärtank bildet, Kanäle schaffen, durch die der übergepumpte Wein ins Innere des Kuchens eindringt und ihn schneller aufweicht. |
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